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Name des Projekts: Politparcours – Refugees Welcome?
Träger: bsj Marburg
Ort: Niederweimar
Zeitraum: Februar bis März 2017

Die interaktive Ausstellung „Refugees Welcome“ für Jugendliche im Landkreis

Im Februar 2017 veranstaltete der bsj Marburg im Bürgerhaus Niederweimar für rund 240 Schüler*innen der Jahrgangsstufen 7 und 8 den ersten Politparcours als interaktive Ausstellung. Eingeladen zu dem Pilotprojekt in Sachen Demokratiebildung waren Jugendliche aller Schulformen aus dem Landkreis Marburg-Biedenkopf. „Der Parcours sollte den Teilnehmer*innen ermöglichen, empathisch auf die Situation der Mitbürger*innen mit Fluchterfahrung zu reagieren“, sagt Susanne Kaiser, die zusammen mit Pia Thattamannil das Projekt „Refugees Welcome“ leitete.

Der Politparcours sollte Jugendliche bei der politischen Meinungsbildung unterstützen und für unterschiedliche Lebenssituationen sensibilisieren. Die Fähigkeiten zuzuhören und sich in andere Menschen einzufühlen sollten gestärkt, das Thema „Miteinander leben/mit Fremden leben/mit Anderen leben“ greifbar gemacht werden. „Dafür war eine leistungsfreie Atmosphäre ohne Schule und Lehrer*innen erforderlich“, sagt Projektleiterin Kaiser.

Im Bürgerhaus Niederweimar wartete auf die Jugendlichen ein festes Team aus eigens dafür geschulten Teamer*innen, die sie dreieinhalb Stunden durch die vier Stationen des Parcours führten, Fragen beantworteten und Schwierigkeiten moderierten: Die Schwerpunktthemen Meinungsbildung, Fluchtwege, Menschenrechte und Integration standen auf dem Programm. Doch vorher mussten sich die Schüler*innen einem unangenehmen Registrierungsverfahren unterziehen.

„Wir begrüßten die Jugendlichen distanziert bis unfreundlich “, berichtet Susanne Kaiser, „teilten sie in Gruppen ein, ohne auf ihre Wünsche Rücksicht zu nehmen, und markierten jeden mit einem farbigen Bändchen am Handgelenk.“ Dieser Einstieg mit der Simulation einer Registrierungssituation von geflüchteten Menschen, der auch den Widerstand der Schüler*innen provozieren sollte, sei für sie selbst beklemmend gewesen.

Dann ging jede Kleingruppen für je eine halbe Stunde an eine der vier Stationen. „Ein Highlight des Schwerpunkts zur Meinungsbildung war das Kofferpacken“, berichtet die Projektleiterin. Die Schüler*innen hatten eine Reihe von Gegenständen zur Auswahl. „Dann erklärten wir ihnen, dass soeben der Krieg ausgebrochen sei und sie nur drei Minuten Zeit für die Entscheidung hätten, was sie auf die Flucht mitnähmen.“  Alle ohne Ausnahme packten das Smartphone ein. „So viel zur Hetzpropaganda gegen Geflüchtete mit Smartphones“. Und auch die Erklärung lieferten sich die Schüler*innen gleich mit. Wie hätten sie denn ohne Smartphone mit ihren Familien Kontakt aufnehmen sollen?

An der Station zu den Menschenrechten mussten sich die Jugendlichen durch einen Paragrafen-Dschungel kämpfen und konnten lernen, dass auch in Deutschland manche Rechte, wie etwa die freie Wohnsitzwahl, nicht für alle gelten. Geschichten mit Konfliktpotential und Kommunikationsschwierigkeiten hörten und erzählten sie an der Station zur Integration. „Oft ist man gezwungen sich schnell eine Meinung zu bilden, zu reagieren und zu interagieren, mitunter auch ohne sprachlich alles genau zu verstehen“, sagt Susanne Kaiser.

Ein weiterer Höhepunkt des Politparcours bildete das Spiel des Lebens an der Station Fluchtwege: Je nach Charakter, den die Jugendlichen zu Beginn des Spiels zogen, und je nach der Ausstattung mit Zufallsgegenständen nahm ihr Schicksal auf der Flucht einen anderen Lauf. Ereigniskarten verstrickten die Spieler*innen in Zufälle, die ihnen alles raubten und an den Startpunkt zurückzwangen oder sie mit der Ressource Geld ausstatteten und ihnen eine sichere Weiterreise ins Ziel ermöglichten. „Dieses Spiel war sehr eindrücklich und informativ“, resümiert Susanne Kaiser, „es wurde deutlich, wie subjektiv Flucht ist, wie abhängig von Ressourcen, Willkür und Zufällen.“

Das Pilotprojekt wurde von den Schüler*innen so gut aufgenommen, dass es von dem ESF gefördertem Projekt „JUSTIQ“ in modifizierter Form bis 2021 als Peerprojekt fortgeführt wird – mit sexueller Vielfalt und dem Klimawandel sind auch zwei neue Themen dabei.